Ignazio Cassis will in China auch die Lage in Xinjiang und Hongkong ansprechen

Am Samstag trifft der EDA-Vorsteher seinen Amtskollegen Wang Yi. Auf beiden Seiten werden die Menschenrechtsbeauftragten bei dem Gespräch zugegen sein.

Matthias Kamp, Peking
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Der EDA-Vorsteher Ignazio Cassis und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi trafen sich zuletzt im Oktober 2019 in Bern.

Der EDA-Vorsteher Ignazio Cassis und sein chinesischer Amtskollege Wang Yi trafen sich zuletzt im Oktober 2019 in Bern.

Alessandro Della Valle / Keystone

Letztmals haben sich Ignazio Cassis und Chinas Aussenminister Wang Yi kurz vor Ausbruch der Pandemie im Oktober 2019 getroffen. Am Samstag kommt es nun nach mehreren Telefongesprächen in den vergangenen zwei Jahren wieder zu einem persönlichen Treffen, und zwar im malerischen Anji in der Provinz Zhejiang im Osten Chinas. So will es das Covid-Protokoll: Für einen Besuch in der Hauptstadt Peking hätte Cassis eine mindestens zweiwöchige Quarantäne absolvieren müssen.

Der EDA-Chef will seinem chinesischen Amtskollegen die im März veröffentlichte China-Strategie der Schweiz vorstellen, vor allem aber auch über akute Probleme wie die rigiden Einreisebeschränkungen Chinas für Geschäftsreisende, Studenten und Touristen sprechen. Aufgrund seiner Nulltoleranz-Politik bei der Pandemie-Bekämpfung ist China bei der Erteilung von Visa äusserst restriktiv; und selbst wer eine Genehmigung bekommt, muss nach Ankunft in China eine mindestens zweiwöchige Quarantäne absitzen. Vor allem Schweizer Firmen klagen über die Einschränkungen. Cassis wird zu den Problemen deutliche Worte finden. Dass sich die chinesische Regierung bewegt, ist auch mit Blick auf die steigenden Fallzahlen in Europa allerdings nicht zu erwarten.

Zeit für die Erläuterung der China-Strategie des Bundes

Die China-Strategie des Bundes hatte nach der Präsentation im Frühjahr für erheblichen Unmut beim chinesischen Botschafter in der Schweiz, Wang Shihting, gesorgt. Grund dafür war, dass das 39-seitige Papier nicht nur Felder für allfällige Kooperationen beschreibt, sondern auch konkret Missstände benennt, etwa bei der Menschenrechtslage in China. Cassis will sich darum ausreichend Zeit für die Erläuterung der Strategie nehmen, eine Relativierung der Position ist indes nicht zu erwarten. Vielmehr spielen für die Schweiz im Austausch mit China Interessen und Werte inzwischen eine gleich wichtige Rolle, wie es heisst.

Es darf denn auch davon ausgegangen werden, dass der EDA-Vorsteher die Vorwürfe zur Zwangsarbeit in der muslimisch geprägten Uiguren-Provinz Xinjiang ansprechen wird. Nach UN-Berichten hält die chinesische Regierung in Xinjiang bis zu eine Million Angehörige von Minderheiten, vor allem Muslime, gefangen. Ausserdem dürfte Cassis das Thema Tibet sowie die Einschränkung der Freiheitsrechte in Hongkong erwähnen. Geplant ist, dass die Menschenrechtsbeauftragten beider Regierungen bei dem Gespräch zugegen sind, um so die Weichen zu stellen für eine mögliche Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs.

Es soll bei dem Treffen am Samstag aber auch um die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder gehen. Rund 1000 Schweizer Firmen unterhalten Niederlassungen in China. Unter dem Strich haben Schweizer Unternehmen bis heute 22 Milliarden Franken im Reich der Mitte investiert. Ausserdem ist China der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz. In der Vergangenheit hatte Bern immer wieder auf einen Ausbau des 2014 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens gedrängt, doch China hatte sich jedes Mal gesperrt. Cassis dürfte den Punkt ansprechen. Dass Peking schnell einlenken könnte, ist indes nicht zu erwarten, auch wegen der Kritik aus Bern an der Menschenrechtslage. Für die Schweiz gehören zu einem Freihandelsabkommen heute auch stets Sozialstandards und Nachhaltigkeit, heisst es in diplomatischen Kreisen.

China blockt beim «Stock-Connect»

Auch verhandeln beide Regierungen seit längerer Zeit über einen so genannten «Stock Connect», bei dem Anleger aus der Schweiz über die Six in chinesische, an der Börse im südchinesischen Shenzhen kotierte Firmen investieren können und umgekehrt. Es gibt bereits seit 2019 eine unterschriebene Absichtserklärung, und die Schweiz wäre bereit für den Start. Doch Chinas Behörden bewegen sich nicht. An einen Durchbruch anlässlich des Treffens zwischen Cassis und Wang am Wochenende ist wohl nicht zu denken. Stattdessen laufen bereits Vorbereitungen für ein weiteres Gespräch zwischen den Spitzen der Finanzdepartemente beider Länder noch in diesem Jahr.

Das EDA erhofft sich aber auch genauere Erklärungen zum Prozedere während der Olympischen Winterspiele, die am 4. Februar beginnen sollen. Die Delegation aus der Schweiz wird fast 1000 Personen umfassen, unter ihnen befinden sich 200 Athleten. Die Wettkämpfe finden in drei verschiedenen Gebieten in und um Peking statt. Um mögliche Ansteckungen der chinesischen Bevölkerung mit dem Coronavirus zu unterbinden, wird jedes der Gebiete als eine Art geschlossene Blase behandelt, in der die Teilnehmer isoliert sind.

Fraglich ist beispielsweise, ob Schweizer Botschaftsvertreter im Fall einer ernsten Verletzung eines Sportlers Zugang zu der Blase bekommen. Unklar ist auch, auf welchem Weg Athleten, Betreuer oder Offizielle bei einer Corona-Ansteckung oder einer Verletzung aus der Blase in die Heimat transportiert werden können. Die Liste mit den Gesprächsthemen ist lang, konkrete Ergebnisse dürfte Cassis mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit nach Bern bringen.

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